Warum es sich lohnt, lagom zu leben
Lagom ist eines dieser schwedischen Worte, für die es keine genaue Übersetzung ins Deutsche gibt. Die Bedeutung von Lagom liegt irgendwo zwischen "genau richtig", "nicht zu viel und nicht zu wenig" und einem optimalen Zustand von Mittelmaß – der goldenen Mitte.
Ein Beispiel
Wenn eine Speise "lagom" salzig ist, dann ist sie weder zu viel noch zu wenig gesalzen. Oder wenn die Temperatur des Wassers in der Dusche "lagom" ist, dann ist das Wasser nicht zu heiß und nicht zu kalt – eben genau richtig.
Wenn Sie Lagom nicht nur auf das Abendessen und die morgendliche Dusche beziehen, sondern auf Ihr Leben im Allgemeinen, bekommt es eine weitreichende Bedeutung, die den schwedischen Lebensstil grundlegend prägt. Dann bedeutet Lagom nicht nur die optimale Menge Milch in der Tasse Kaffee, sondern eine Lebensart, die sowohl für Sie persönlich als auch für die Gesellschaft, in der Sie leben, genau richtig ist. Das klingt zunächst einmal verdächtig nach einer endlosen Liste von Kompromissen, doch Lagom kann in Wirklichkeit ein Weg zu mehr Zufriedenheit und Gelassenheit sein.
Warum genau sollten Sie Lagom einmal ausprobieren?
Ein Trend, der zu unserer Zeit passt | Inmitten von Stress, vielen Stunden vor dem Bildschirm, ständiger Erreichbarkeit und einer konstanten Informationsflut geht das Gefühl von Balance schnell einmal verloren. Lagom lädt Sie dazu ein, den Ausgleich zwischen digitaler und analoger Welt wiederherzustellen, zwischen Arbeit und Freizeit, zwischen Zeit für Familie und Freunde und Zeit für sich selbst. |
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Umwelt und Nachhaltigkeit | Lagom bedeutet auch Balance in Hinsicht auf unseren Umgang mit der Natur und unserem Planeten. Das kann zum Beispiel bedeuten, beim Kauf von Produkten auf gute Qualität zu achten und sie zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen. Oder auch ein angemessener Umgang mit den Ressourcen unseres Planeten, etwa Maßnahmen, um Energie zu sparen und Ihr Konsumverhalten auf Nachhaltigkeit zu prüfen. Das schont nicht nur die Umwelt, sondern auch Ihren Geldbeutel. |
Mehr Raum – sowohl zu Hause, als auch im Kopf | Lagom lädt Sie auch dazu ein, nicht mehr zu besitzen, als Sie tatsächlich benötigen, und damit Ihren Wohnraum zu entrümpeln. Das bedeutet, mehr Raum zum Atmen zu haben und zufriedener im eigenen Heim zu sein, wenn Sie das, was Sie besitzen, wirklich wertschätzen und es Sie glücklich macht. Damit Hand in Hand geht ein Gefühl von Freiheit und Gelassenheit: Sie haben die Gelegenheit, sich von unnötigen Lasten zu befreien. |
Gesundheit und Lebensmittel | Lagom lädt Sie ein, auf eine gesunde, ausgewogene Ernährung zu achten, ohne sich Ihre geliebten Leckereien zu verbieten. Im Gegenteil: Lagom zu essen bedeutet zu genießen, und es darf auch gerne die Sahnetorte sein – aber eben in Maßen. |
Selbstverständlich umfasst Lagom noch viel mehr als diese vier Aspekte. Doch sie sind ein guter Ausgangspunkt, um dem schwedischen Rezept für einen Lebensstil mit Balance und Zufriedenheit ein Stückchen näher zu kommen.
Gibt es einen "lagom" Umgang mit der Zeit?

Ein paar Gedanken zum Thema Lagom und Zeit – können Sie sich vom schwedischen Lebensstil etwas für Ihr alltägliches Zeitmanagement abschauen?
In Schweden testen mehr und mehr Unternehmen den 6-Stunden-Arbeitstag. Das Ziel ist, den Mitarbeitenden mehr – oder lagom – Zeit für Hobbys und Privatleben zu geben, was wiederum in höherer Zufriedenheit, Produktivität und Kreativität resultiert. Denn wenn Sie einen guten Ausgleich zum Arbeitsalltag haben und sich mit anderen Themen und Aktivitäten auseinandersetzen, dann geben Sie sowohl Ihrem Körper als auch Ihrem Geist mehr Möglichkeiten, sich zu erholen und abzuschalten.
Abwechslung ist hierbei eines der zentralen Konzepte. In Schweden sind die Menschen gerne kreativ, engagieren sich in Gruppen und Vereinen, um gemeinsam zu gestalten und sich inspirieren zu lassen. Vermutlich kennen auch Sie diese Momente: Es gibt ein Problem auf der Arbeit, das gelöst werden muss – doch die erleuchtende Idee kommt Ihnen nicht, wenn am Schreibtisch der Kopf raucht, sondern vielleicht beim abendlichen Gemüseschnippeln. Genau dieser Gedanke steckt hinter der verkürzten Zeit im Büro: Wenn Mitarbeitende mehr Freizeit haben, können sie diese kreativ und zur Erholung nutzen. Dann steigen die Chancen, dass mehr solcher „Gemüseschnippelmomente“ Probleme lösen – Sie sind entspannter, produktiver, kreativer.
Auch wenn Sie natürlich nicht einfach Ihren Arbeitstag auf 6 Stunden verkürzen können, dürfen Sie sich trotzdem von diesem lagom Umgang mit der Zeit inspirieren lassen. Gestalten Sie zum Beispiel die freie Zeit, die Sie abends oft mit Netflix und auf dem Sofa verbringen, hin und wieder abwechslungsreicher. Vielleicht gibt es ein neues Hobby, das Sie inspiriert, oder eine kreative Tätigkeit, die den einen oder anderen Fernsehabend ersetzen könnte.
Darüber hinaus gibt es im Alltag viele Gelegenheiten, "tote" Zeit lebendig zu machen. Nehmen Sie etwa auf dem Weg zur Arbeit einfach einmal eine andere Route und achten Sie bewusst auf Ihre Umgebung.
Wenn Sie lagom mit Ihrer Zeit umgehen, dann bedeutet das, dass Sie Ihren Kalender nicht mit Terminen überfüllen und sich Zeit für sich selbst, Ihre Hobbys und das, was Ihnen wichtig ist, mit ausgeglichener Priorität geben. Es bedeutet, dass Sie eine Balance finden zwischen Arbeitszeit und Freizeit, Tun und Nichtstun. Dass Sie Ihre Zeit nicht vergeuden, aber sie auch nicht zwanghaft nur mit produktiven Aktivitäten füllen.
Das gilt sowohl für den Alltag als auch für den Urlaub. In Schweden genießen viele spannende Ausflüge, Wanderungen und Naturerlebnisse – aber ebenso gern die Ruhe des Nichtstuns. Lassen auch Sie Ihre Gedanken schweifen und genießen Sie es, einfach bloß zu sein – zum Beispiel in der Abendsonne am See, in der Sauna oder an einem kühlen Abend vor dem offenen Kamin.
Lagom – zwischen Arbeit und Freizeit
Wer kennt diese Tage nicht, an denen eine zu volle To-do-Liste und stetig näher rückende Deadlines Sie in eine Art Produktivitätszwang drängen, der leider ausgesprochen wenig produktiv ist? Sie lassen die Kaffeepause einfach ausfallen, könnten beim Mittagessen einen Preis fürs Hochgeschwindigkeitskauen gewinnen und werden bei jeder scheinbar unproduktiv verbrachten Sekunde nervös, noch mehr Zeit zu verlieren. Nach der Arbeit noch Einkaufen, das Nötigste im Haushalt erledigen und womöglich nach dem Abendessen noch einmal schnell die E-Mails checken. Zwei Stunden später sitzen Sie dann immer noch über den Laptop gebeugt und wundern sich, warum der Nacken schmerzt.
Vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor. Wenn man mehr über Lagom liest, wird einem schnell klar, wie sehr solche Tage das Gegenteil von Lagom sind. Meistens sind sie überdurchschnittlich stressig und gleichzeitig unterdurchschnittlich produktiv. Daran darf sich etwas ändern – und Lagom kann hier ein guter Ratgeber sein, von dem Sie sich gerne etwas für Ihren Arbeitsalltag abschauen können.

Weniger ist mehr
In Schweden testen immer mehr Unternehmen den 6-Stunden-Tag – ohne Einbußen in der Produktivität. Im Gegenteil: Wenn mehr Zeit für Hobbys und Freiraum zum Nichtstun vorhanden ist, wächst die Produktivität in den Arbeitsstunden. Ebenso sind Pausen ein wichtiger Bestandteil des schwedischen Arbeitsalltags. So gibt es meist zweimal am Tag „Fika“ – eine fünfzehnminütige Kaffeepause, in der man mit Kolleginnen und Kollegen plaudert und einfach etwas Abstand von der Arbeit gewinnt.
Mit Vertrauen zum Ziel
Auch der Umgang mit Deadlines ist dank Lagom ein anderer. Es wird darauf vertraut, dass es „lagom“ lange dauert, um eine Aufgabe zu erledigen – nicht zu kurz und nicht zu lang, eben genau richtig. Lagom ist hier flexibel und passt sich an die Zeit an, die jemand braucht, um das optimale – oder eben lagom – Ergebnis zu erzielen. Dies geschieht auf Vertrauensbasis: Wer an der Aufgabe arbeitet, gibt sein Bestes (selbstverständlich, ganz im Sinne Lagoms, ohne sich zu überarbeiten). Dieses Vertrauen können auch Sie sich selbst gegenüber entwickeln.
Mit Lagom in die Sommerpause
Dieser Umgang mit Arbeitszeit und Freizeit schafft ein angenehmes Gefühl der Balance. Abschalten und genügend Zeit für die Familie sind in Schweden nicht nur im Alltag wichtig. Auch die Sommerpause spielt eine große Rolle. Über mehrere Wochen machen viele Menschen in Schweden Urlaub – häufig im eigenen Land in einer Ferienhütte, wo die Familie zusammenkommt und das Leben in der Natur in vollen Zügen genießt.
Urlaub im Ferienhaus ist ein wunderbares Beispiel für Lagom: Sie haben dort alles, was Sie brauchen – nicht mehr, und nicht weniger. Sie verbringen die Zeit im Einklang mit der Natur, genießen, was Wald und Seen zu bieten haben – mit Wandern und Schwimmen, Bootstouren und Ausflügen – und natürlich mit entspannendem Nichtstun. Lagom eben.
Mit Lagom in Bewegung – wie werden Sie lagom aktiv?

Bewusst leben mit gesundem Mittelmaß – auch wenn dieses Motto in den meisten Köpfen durchaus logisch und erstrebenswert klingt, so ist es doch leichter gesagt als umgesetzt. Wer kennt nicht die berühmt-berüchtigte Kekspackung, die man eigentlich gar nicht kaufen wollte – und die man dann so schnell wie möglich leert, um die zuckrige Sünde „erfolgreich zu entfernen“ und danach endlich damit zu beginnen, ganz sicher nie wieder etwas Süßes zu konsumieren? Oder Sie entschließen sich, endlich mit Sport anzufangen – und melden sich gleich für den Halbmarathon an.
Mit einer etwas skandinavischeren Herangehensweise – ganz im Sinne Lagoms – würden Sie die Kekspackung wohl einfach akzeptieren und sich gelegentlich mit Genuss ein Stück gönnen. Ohne Gewissensbisse, nicht zu viel, aber auch nicht mit einem totalen Verbot. Genauso beim Sport: Vielleicht müssen Sie nicht im Fitnessstudio schwitzen, um in Bewegung zu kommen. Vielleicht ist motion ein guter Ansatzpunkt. Ganz lagom liegt die Bedeutung von motion irgendwo zwischen schweißtreibendem Sport und dem Abstecher zum Bäcker. Es beschreibt vielmehr Bewegung, die Ihnen guttut, gleichzeitig Freude bereitet, meistens draußen stattfindet – und ziemlich lagom ist. Mit motion bekommen Sie vielleicht kein Sixpack, aber ganz sicher einen aktiveren Lebensstil, mit roten Wangen vom Herbstwind, der Ihnen auf der Fahrradtour mit der Familie um die Nase weht.
Das führt direkt zum friluftsliv – wörtlich dem „Freiluftsleben“ – das in Schweden eine wichtige Rolle spielt und häufig mit motion einhergeht. Meistens verbringen Sie es gemeinsam mit Familie oder Freunden, sei es mit Aktivitäten wie Wandern, Fahrrad-, Boots- oder Skitouren, oder auch Picknicken, Zelten, Grillen, Tierbeobachtung oder Beeren- und Pilzesammeln. Kurz: alles, was Sie draußen an der frischen Luft unternehmen können. Und das Wetter spielt dabei keine Rolle – denn in Skandinavien gilt: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung.
Die Kampagne Svenskt Friluftsliv möchte auf die Bedeutung der Zeit an der frischen Luft aufmerksam machen und dazu inspirieren. So stellt sie beispielsweise auf YouTube Menschen aus Schweden vor, die beschreiben, was friluftsliv für sie persönlich bedeutet. Es muss dabei nicht immer die lange Wanderung oder ausgiebige Kajaktour sein – auch Zeit im eigenen Garten oder im Stadtpark kann friluftsliv sein. Wer interessiert ist und vielleicht ein wenig Schwedisch spricht, findet hier einen kleinen Einblick.
Wir hoffen, auch Sie haben bald Gelegenheit, die schwedische Natur mit motion und friluftsliv zu genießen. Für heute mag vielleicht schon der Sonntagsspaziergang ausreichen – und dabei gilt es, die skandinavische Wetterregel im Hinterkopf zu behalten und den Mantel fest zugeknöpft.